Andere Erkrankungen

Probleme bei der Diagnosestellung

ME/CFS ist eine vollkommen unsichtbare Erkrankung, trotz der schweren Symptomen sehen die Betroffenen relativ gesund aus. Es gibt für den Hausarzt bis heute keinen einheitlichen Blut- oder Urintest oder ein bildgebendes Diagnoseverfahren. Studien ergaben, dass über 80 % der ME Betroffenen keine Diagnose oder eine falsche Diagnose erhalten haben[1][2][3].

Oft wird auch die schwere der Erkrankung unterschätzt. Selbst für Betroffene ist es schwierig, das Funktionsniveau eines anderen Betroffenen auf Anhieb korrekt einzuschätzen. Dazu können andere Symptome in Vordergrund treten, die den Betroffenen mehr einschränken, als die Erschöpfung. Zu den 8 Hauptsymptomen können viele Zusatzsymptome auftreten. Oft summieren sich die Symptome über die Jahre, während andere wieder weggehen. Deswegen gilt ME/CFS als eine aufwendig zu diagnostizierende und sehr komplexe Erkrankung. ME Erkrankte brauchen oft 1 bis 2 Jahre, um diese komplexen Symptome zu verstehen und zu lernen mit der Erkrankung richtig umzugehen.

Abgrenzung zu anderen Erkrankungen

ME ist eine genau definierte neurologische Erkrankung mit einem genauen Symptom-komplex. Es ist wichtig ME von anderen Erkrankungen abzugrenzen, gerade auch von psychiatrischen Erkrankungen. Allgemeine Müdigkeit oder Erschöpfung, Schlafstörungen, Burnout, Depressionen und viele weitere Erkrankungen können gut von ME unterschieden werden.

Depression

Die Symptome einer Depression unterscheiden sich markant von ME. Eines der Hauptmerkmale ist, dass Sport gegen Depressionen hilft. ME Erkrankte leiden hingegen an der „Post-Exertional Neuroimmune Exhaustion - PENE“, sprich Sport führt zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes. ME Erkrankte können hingegen zusätzlich zu ihrer Erkrankung Depressionen entwickeln, z.B. aufgrund der Vereinsamung.

Somatoforme Störung

Psychosomatiker haben folgende Definition entwickelt: Eine somatoforme Störung liegt vor, wenn die Symptome nicht durch einen „medizinischen Krankheitsfaktor, durch die direkte Wirkung einer Substanz oder durch eine andere psychische Störung vollständig geklärt werden können.“[4][5]

Hierbei ist anzumerken, dass manche Erkrankungen, die als somatoforme Störung betrachtet wurden, mit der Entdeckung deren biomedizinischen Ursache, nicht mehr zu dieser Kategorie gehören.[6] Den Symptomen des ME liegen zahlreiche biophysiologische Befunde zugrunde. Die meisten auslösenden Faktoren des ME sind bekannt, auch wenn der gesamte biologische Prozess noch nicht ganz verstanden ist. Menschen, die die Kriterien für ME erfüllen, können somit nicht gleichzeitig unter einer somatoformen Störung leiden[7].

Neurasthenie F.48.0

Die Neurasthenie hat ähnliche Symptome wie ME aber nie die Zustandsverschlechterung und Erschöpfung nach Anstrengung. Neurasthenie tritt nicht nach einer Virusinfektion oder den ME typischen Auslösern auf. Die Erkrankung kann auf eine psychische Ursache, zurückgeführt werden. Sie hat leichte Symptome und keinen schweren Verlauf. Meistens hilft bei der Neurasthenie eine Psychotherapie. Falls die Psychotherapie keine Wirkung zeigt oder es sogar zu einer Verschlechterung kommt, sollte überprüft werden, ob vielleicht eine andere Erkrankung oder ME dafür verantwortlich sind. Auch Menschen die an einer psychischen Erkrankung leiden, können aufgrund einer Infektion ME entwickeln. Die Rate psychiatrischer Erkrankungen bei ME ist ähnlich hoch, wie bei anderen chronischen, organischen Erkrankungen. In seltenen Fällen kann es schwer werden ME von Neurasthenie zu unterscheiden[8].

Ähnliche biomedizinische Erkrankungen, die mit Erschöpfung einhergehen.

Fibromyalgie M79.7

Das hervorstechendste Merkmal von Fibromyalgie sind die markanten Schmerzen. Um ME von Fibromyalgie zu unterscheiden, wird laut Prof. Wolfgang Huber die Dysregulation des antiviralen Pfades getestet. Patienten, die unter ME und Fibromyalgie gleichzeitig leiden, haben die gleichen Testergebnisse wie ME Patienten[9].

Multiple Chemikalien Sensitivität T 87.4

Bei der Multiplen Chemikalien Sensitivität (MCS) reagieren die Betroffenen übermäßig auf Gerüche oder Chemikalien. Auch hier kann es manchmal vorkommen, dass Patienten unter ME und MCS gleichzeitig leiden.



Quellenangaben

  1. Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome Diagnosis and Management in Young People: A Primer Peter C. Rowe, Rosemary A. Underhill,Kenneth J. Friedman,Alan Gurwitt,Marvin S. Medow, Malcolm S. Schwartz, Nigel Speight, Julian M. Stewart, Rosamund Vallings, and Katherine S. Rowe Published online 2017 Jun 19. doi: 10.3389/fped.2017.00121, Epidemiology, Zeile: 12
  2. A community-based study of chronic fatigue syndrome. Jason LA, Richman JA, Rademaker AW, Jordan KM, Plioplys AV, Taylor RR, McCready W, Huang CF, Plioplys S Arch Intern Med. 1999 Oct 11; 159(18):2129-37.
  3. Reyes M, Nisenbaum R, Hoaglin DC, Unger ER, Emmons C, Randall B, et al. Prevalence and incidence of chronic fatigue syndrome in Wichita, Kansas. Arch Intern Med (2003) 163:1530– 6.10.1001/archinte.163.13.1530
  4. Myalgische Enzephalomyelitis/ Chronic Fatigue Syndrom, Kanadisches Konsensdokument Bruce M. Carruthers, MD, CM, FRCP(C), Marjorie I. van de Sande, B Ed, Grad Dip Ed, Seite 11, Kapitel: Somatoforme Störungen
  5. Das Diagnostic and Statistical Manual, DSM-IV, erklärt diese Störung auf S. 509 so: "Das gemeinsame Merkmal der Somatoformen Störungen ist das Vorhandensein von körperlichen Symptomen, die einen medizinischen Krankheitsfaktor nahe legen und die durch einen medizinischen Krankheitsfaktor, durch die direkte Wirkung einer Substanz oder durch eine andere psychische Störung nicht vollständig erklärt werden können."
  6. Ein Beispiel dafür ist das Magen- und Zwölffingerdarmgeschwür, das früher zu den „holy seven“ der psychosomatischen Krankheiten zählte. Seit der Erreger (das Bakterium Helicobacter pylori) in der erkrankten Magenschleimhaut in der ersten Hälfte der 1980er Jahre entdeckt wurde, haben körperliche Faktoren ein hohes Gewicht in der Beurteilung dieser Krankheit gefunden.
  7. Myalgische Enzephalomyelitis/ Chronic Fatigue Syndrom, Kanadisches Konsensdokument Bruce M. Carruthers, MD, CM, FRCP(C), Marjorie I. van de Sande, B Ed, Grad Dip Ed, Seite 11, Kapitel: Somatoforme Störungen, Zeile 12
  8. Diagnose und Behandlung von Patienten mit ME/CFS, Klinische Leitlinien für Psychiater, Eleanor Stein MD FRCP(C), Seite 9, Kapitel 3. ME/CFS ist KEINE psychiatrische Erkrankung
  9. Prof. Dr. med. Wolfgang Huber, Heidelberg, „Zur Diagnostik und Therapie des CFS“

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